Sonntag, 2. November 2008

ULRIKE BORNSCHEIN - Bei Anruf nackt - Meine Partnersuche im Internet

So, meine Lieben(den), hier haben wir also den "erste(n) dokumentierte(n) Selbstversuch einer Internet-Partnersuche". Boah eyh, wurde aber auch irgendwie Zeit, nicht?

Dieses Buch, meine Lieben(den) behandelt, falls Ihr es nicht mitbekommen haben sollten, das "brandaktuelle Thema"! Nein, nicht globale Finanzkrise, oder die USA-Wahl, weder die heiße Ypsilanti noch den heißeren Klimaschlamassel: "Partnerschaftsbörsen im Internet werden immer beliebter", das isses, das Thema der Stunde! Wer es bis jetzt (das brandaktuelle Thema) nicht mitgekriegt hat, stand wahrscheinlich schon in der Grundschule auf dem Pausenhof alleine mit Mamas Käsestulle, während die anderen Ihre Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht in der Gruppe diskutierten. Pech!

Gewidmet ist dieses Buch nicht den heißer Fegern unter uns Männern, sondern einer gewissen Helga Waterkotte, was ein ungefähr so an Erotik erinnernder Name ist wie Olga Wasserbüffel oder Wilma Wurstwasser. Na, sei's drum. Vielleicht ist die Frau, ich nenn sie mal Wassergrotte, eine Spezialistin in (g-) puncto Feuchtgebiete wie die bisher Pop!Videos ansagende, jetzt gefeierte Autorin Charlotte Roche. Wäre die Autorin des hier besprochenen Werkes, Frau Bornschein, ein "reicher Mann" so die Widmung weiter: "würde ich sie (Helga Waterkotte) sofort heiraten". Damit unterstellt Frau Bornschein reichen Männer Perversion, oder pflegt diese Helga Wasserköter einen besonders luxuriösen Lebensstil? Manche (interessante Fragen) bleiben hier leider unbeantwortet. Doch nun zum eigentlichen Text, der von "authentische Schriftwechsel(n)" und von "tatsächlich stattgefundenen Begegnungen" berichtet, welche Frau Lebensborn, äh, Bornschein mit ihren Internetbekanntschaften hatte:

Illustre Überschriften wie "Mike, der Wahnsinnige" Zitat: "Ich rufe Sie an. Ich werde dann nichts anhaben." lassen schon mal das Beste hoffen! Ich persönlich freute mich sehr über "Alexander, der ewige Ossi". Hat er sie im Wartburg zu Mitropa gefahren und eine Flasche Krimskoye bestellt? Lassen wir die Autorin zu Wort kommen:

"Koch-, Tanz- und Töpferkurse für Singles lehnte ich kategorisch ab. Das offensiv zur Schau getragene Statement: Ja, ich bin Single, erinnerte mich an die zuverlässige Tragik von Treffen der anonymen Alkoholiker. Ich bin die Ulrike. Ich bin Single. - Herzlich willkommen Ulrike. Das war jetzt sehr mutig von dir. Danke! Applaus aus der Runde. Nein, so weit war ich noch lange nicht." Puh, die Autorin spricht hier wirklich den Kern der Tragik an. Dass jemand auf einem Singletreff "gesteht": Ja, ich bin Single, ist so tragisch wie das Geständnis bei den Anonymen Alkoholiker: Hallo, ich bin XY und ich trinke zu viel Alkohol. Ja, wie wäre es stattdessen mit der Vorstellung: Hallo, ich bin Giesela und mein Hund ist medikamentenabhängig, oder Hallo, liebe Anonymen Alkis, ich bin der Horst und ich sammle Hausschuhe aus Menschenhaar? So weit sind Sie noch lange nicht? Dann lesen Sie weiter.

"Irgendwann" fielen der Autorin die "Schlüsselworte Internet und Partnerschaftsbörsen ein. Interaktiv. Schnell. Zielführend." Einfach genial, ein Geistesblitz, Frau Scheidenborn, äh Bornschein, nicht nur die Interpunktion, denn jedes. Wort. Ist. Auch. Ein Satz, wenn man nur will. Doch weiter: "Es gab kostenlose und Preisgünstige Angebote, so breit gestreut wie eine Ladung Schrot." Hier zeigt sich die wahre Expertin der Männerjagdt, Kaliber libido-gesteuerte Waffennymphe, obwohl es auch ein Tippfehler sein könnte, denn Schrott läßt sich auch breit streuen (Beispiel Schrottplatz oder Buchmesse).

Nach der Anmeldung auf mehreren Plattformen "galt es, umfangreiche psychologische Tests zu absolvieren: (Beispiel) Wie reagieren Sie, wenn Sie auf einer belebten Einkaufsstraße auf einer Bananenschale ausrutschen?" Meine subjektive spontane Antwort: Na, ich schnappe mir den Affen der Schuld hat und stelle sicher, dass zu seinem Silberrücken ein Silberblick hinzukommt. Im Ernst, die "umfangreiche psychologische" Fragestellung fällt eindeutig in die Kategorie: Wie reagieren Sie, wenn die Frage blöder ist als derjenige, der sie beantworten soll.

Sympathie erweckt die Autorin bei mir erst als sie beim Lesen der Profile von möglichen Traummännern eine elektronische Abfuhr erhält: "Das Mitglied verabschiedet sich von Ihnen, Sie wurden aus seiner Liste gelöscht. Eine Kontaktaufnahme ist nicht mehr möglich." Hierauf reagiert die Autorin mit einem gesunden "So eine Frechheit (...) dieser Schmock kennt mich doch garnicht!" Dann erst realisiert sie, dass sie selbst zuvor mehrere Kontakte unwiderruflich gelöscht hatte und kommt zum Schluss: "Löschen oder gelöscht werden - die Regeln (sie meint hier: Das Gesetz) des Jungels galten also auch hier."

Kurzinhalt (Verlagsdarstellung): "100 Kontakte, rund 50 Begegnungen, sechs Mal Sex, drei Mal unglücklich verliebt, ein Traummann ? Ulrike Bornscheins Fazit von einem Jahr Partnersuche im Internet. Ihre Erfahrungen mit neurotischen Notaren, sexbesessenen Kardiologen und anderen Exoten dokumentiert sie hier tabufrei und authentisch. Vom Internetprofil des Mannes über die E-Mail-Korrespondenz bis zum tatsächlichen Treffen: Wie die Selbsteinschätzungen der Männer mit der Wirklichkeit kollidieren, ist oft überraschend, bisweilen ernüchternd, aber immer unterhaltsam und sehr amüsant."

Wie die Selbsteinschätzung von Autoren und der tatsächliche "leserisch Wert" ihrer Bücher divergieren ist ein Unterschied wie der zwischen einer Platzpatrone und einer guten Ladung Schrot(t). Sicher, diese Frau hat Humor und hält sich nicht für etwas Besonderes (zumindest schreibt sie das in ihrem Online-Profil), aber ich kann hier nur raten alternativ:

1. Readers Digest bestellen
2. Bravo Foto-love-story Folge 23.432 bis 47.289 lesen
3. Die Zeitschriften Emma (liest die Autorin auch) und Moderne Hausfrau abonnieren
4. Fertige Bratkartoffeln kaufen
5. Den Pudel baden (merke! Nicht Ihren Pudel baden)
6. das ZDF als Startseite Ihres Internetbrowsers festlegen
...
101. Einen lustigen Vietnam Film ausleihen

Fazit: 4 von 10 Sternen (*)
Bewertung: Menopausisch wertvoll

ULRIKE BORNSCHEIN

Bei Anruf nackt

Meine Partnersuche im Internet

ORIGINALAUSGABE

Taschenbuch, 304 Seiten, 11,8 x 18,7 cm
ISBN: 978-3-453-64521-9
€ 8,95 [D] | € 9,20 [A]Die österreichischen Preise wurden von unserem Alleinauslieferer als sein gesetzlicher Letztverkaufspreis in Österreich festgelegt. | SFr 16,90 (UVP)Unverbindliche Preisempfehlung

Verlag: Heyne

Erscheinungstermin: November 2008